Die CPC in der Recherche: gestern – heute – morgen

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Einführung

Die CPC (Cooperative Patent Classification) entstand bekanntlich aus einer Zusammenarbeit des EPO (European Patent Office) und des USPTO (United States Patent and Trademark Office) und führt auf eine Erklärung der beiden damaligen Amtspräsidenten vom 25.Oktober 2010 zurück. Durch die Harmonisierungsbestrebungen wurden die Klassifikationssysteme ECLA (European CLAssification) und USPC (United States Patent Classification) zusammengeführt und abgelöst. Die CPC wurde vorwiegend auf Grundlage des ECLA-Systems entwickelt und orientiert sich nach den Standards für Klassifikation der World Intellectual Property Organization (WIPO) und der International Patent Classification (IPC).[1]

Die in der Gründungserklärung benannten Zielsetzungen können in der Harmonisierung bestehender Klassifikationssysteme, in der Unterstützung beim Auffinden von Patentinformation („make the search process more effective“) und in der Unterstützung der Initiative Common Hybrid Classification (CHC) der IP5 gesehen werden.[2]

Die Cooperative Patent Classification (CPC) ist seit 2013 ein unentbehrliches Werkzeug für Patentrechercheure. Die detailbezogene Unterteilung der Sachverhalte bietet enorme Vorteile in der effizienten und effektiven Suche. In etwa 250.000 Klassifikationssymbole stehen für die Recherche zur Verfügung. Knapp 30 Patentämter partizipieren gemäß einer Präsentation des USPTO vom 29.03.2021 am CPC-System und in über 45 Patentämtern wird die CPC bei der Recherche genutzt.[3]

Die sogenannte „core collection“ der CPC wird durch die Jurisdiktionen, EP, US, AT, BE, CH, DE, FR, GB, LU, NL, ARIPO, AU, CA, OAPI und WIPO gebildet. 21 weitere Länder, darunter CN (seit 2016) und KR (seit 2015), senden CPC-Daten und ergänzen somit die „core collection“. Ein Teil der CPC klassifizierten Veröffentlichungen wird durch Nichtpatentliteratur (NPL) gebildet.

Als anhaltende Entwicklung kann die Klassifikationsvergabe mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) erkannt werden. Bspw. setzt das DPMA seit einigen Jahren einen „e-Klassifikator mit KI-Funktion bei der Vergabe der Internationalen Patentklassifikation (IPC)‘“[4] ein. Auch die CPC wird mit Hilfe der KI klassifiziert. So setzt bspw. das USPTO seit 2020 ein Programm zum KI gestützten Klassifizieren ein.[5] Die KI gestützte Klassifikationsvergabe wurde auch im „Strategic Plan 2023 – Classification“ des Europäischen Patentamtes[6] definiert.

Die CPC besteht aus der Grundstruktur an IPC-Symbolen, einer weiteren Sektion Y für neu entstehende und sektionsübergreifende Technologien und einer 2000-Serie von Indexcodes, mit der Zusatzinformationen klassifiziert werden.

Es erfolgt eine regelmäßige Überarbeitung der CPC, wie dies auch bei anderen Klassifikationssystemen üblich ist. Durch den 2019 erfolgten Start des Projektes „Gemeinsame Patentklassifikation International (CPCI)“ werden in der Datenbank Espacenet® nun auch CPCI-Daten angezeigt. Dadurch ist ersichtlich, welches Amt eine CPC vergeben hat.

Der CPC-Patentklassenkatalog ist bspw. über die Webseite https://www.worldwide.espacenet.com/patent/cpc-browswer zugänglich und kann auch über den Klassenkatalog der WIPO https://ipcpub.wipo.int/ eingesehen werden.

Dem über das EPA zur Verfügung gestellten CPC-Katalog können weitere nützliche Informationen entnommen werden. Anmerkungen und Warnhinweise sind über die Schaltfläche mit dem Dreieck und dem Kreis einsehbar. Querverweise sind über die Schaltfläche mit der Klammer aktivierbar und deaktivierbar.

Einen besonderen Hinweis verdient die 2000-Serie des CPC-Systems, der nicht erfindungsbezogene Informationen, z.B. „Klassifikation von Verwendungen/Anwendungen, Dimensionsaspekten, gelösten Zielen, verwendeten Materialien/Inhaltsstoffen, enthaltenen chemischen Elementen, Formen/Designs oder Funktionen“[7] entnommen werden können. Die 2000-Serie umfasst in etwa 82.000 Symbole. Sogenannte „breakdown indexing codes“, die in die Hierarchie eingebettet sind und „orthgonal indexing codes“, die separat, bspw. auf übergeordneter Hierarchieebene (Klassen), aufgefunden werden können. Als Beispiel kann auf die A01D2023/022 (breakdown) und die G05D2201/00 (orthogonal) verwiesen werden.

Eine detaillierte Beschreibung zu den CPC-Symbolen kann mit Mausklick auf das D angezeigt werden. Relevante Informationen, wie bspw. die jeweilige Klasse betreffende Definitionen, Limitierungen, Synonyme, Querverweise und Klassifizierungsregeln werden, sofern verfügbar, angezeigt.

Eine Kombination von CPC-Symbolen, die als gemeinsame, sortierte und miteinander verbundene CPC-Kombination von Patentprüfern vergeben wurde, kann mittels der sogenannten Kombinationssätze (Combination sets, C-sets) recherchiert werden. C-sets „klassifizieren technische Merkmale im Kontext und in Kombination verwendete technische Merkmale“[8] und werden primär in den Sektionen C (Chemie; Hüttenwesen), A (Täglicher Lebensbedarf) und H (Elektrotechnik) vergeben. In der Datenbank Espacenet® wurden 1,6 Mio. Patentfamilien mit C-Sets klassifiziert. Jedes C-set wird als einzelne Einheit und als eigenständiges Klassifikationssymbol für sich allein betrachtet. In der Datenbank Espacenet® können C-sets mit Hilfe des Feldes „C-sets CPC“ recherchiert werden.

Vorteile der CPC

Einige der besonders hervorzuhebenden Vorteile der CPC wurden bereits in der Einführung erwähnt. 250.000 Klassifikationssymbole gliedern den Stand-der-Technik detaillierter als etwa 75.000 Symbole der IPC. Dies bietet bei Recherchen die Möglichkeit rasch relevante Ergebnisse zu erhalten. Darüber hinaus wird ermöglicht, ein gewisses Verständnis über die Struktur einer Technologie zu erhalten, da vielfach bereits die Gliederung der Haupt- und Untergruppen aufschlussreich sein kann. Bitte beachten Sie dazu bspw. die Untergruppen der „G05D1/02 Control of position or course in two dimensions“, auf die später nochmals eingegangen wird.

Ferner kann auf die oben bereits genannten Vorteile der 2000-Serie und des C-sets des CPC-Systems verwiesen werden.

Nachteile der CPC

Ein bekannter Nachteil des CPC-Systems ist, dass nicht jede Veröffentlichung bzw. Patentfamilie eine CPC trägt. Ein weiterer Nachteil besteht in der zum Teil verzögerten Vergabe der CPC, was sich insbesondere in dynamischen Technologien auswirken könnte. Das Europäische Patentamt (EPA) führt an, dass in etwa 90% aller Veröffentlichungen, die eine CPC benötigen, diese innerhalb von 8 Monaten nach Publikation erhalten: “It is estimated that 90% of the documents requiring a CPC classification will receive one within eight months of publication.”[9] Ein Monitoring mit CPC-Symbolen wäre daher in den meisten Jurisdiktionen fatal.

Bereits 2018 wies Bart Degroote in seinem Artikel “Analysis of the patent documentation coverage of the CPC in comparison with the IPC with a focus on Asian documentation”[10], erschienen im Journal „World Patent Information“, darauf hin, dass lediglich ein Drittel der IPC klassifizierten Patentfamilien eine CPC aufweisen. Die meisten der nicht CPC klassifizierten Patentfamilien (simple patent family) wiesen Veröffentlichungen der Patentämter JPO, KIPO und CNIPA (ehemals SIPO) auf.

Zielsetzung und Methodik

Da aktuell knapp 30 Patentämter am CPC-System partizipieren und bspw. CN seit 2016 sowie KR seit 2015 Daten zur CPC-Klassifikation liefern, soll die Frage gestellt werden, ob und inwieweit sich die Situation in den letzten Jahren verändert hat. Einerseits, was die Klassifikationsvergabe im Stand-der-Technik der letzten Jahre, insbesondere der letzten 10 Jahre, und andererseits, was den davor liegenden Zeitraum, den sogenannten Backlog bzw. Backfile, betrifft. Für diese Untersuchungen greifen wir auf die Datenbank Espacenet® des EPA zu, die für jeden kostenfrei zur Verfügung steht.

Die Untersuchungen wurden im März 2023 in der Datenbank Espacenet® durchgeführt. Die Analysen wurden auf Simple-Patent-Family Level vorgenommen, die sogenannte einfache Patentfamilie. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die IPC für einzelne Veröffentlichungen vergeben wird und die CPC gewöhnlich für Familien. Dies sollte sich in der folgenden Untersuchung jedoch nicht negativ auswirken. Um den gesamten Datenbestand der Datenbank zu erfassen und bestimmte Abfragen einzuschränken, wurde auf die Ländercodes gemäß der Espacenet-Hilfe zurückgegriffen.

Bei den nachfolgenden Untersuchungen ist zu bemerken, dass in der Datenbank Espacenet® neben Veröffentlichungen der Patentinformation auch Design-Schutzrechte erfasst sind. Der Großteil dieser Design-Schutzrechte ist gemäß Datenbestandsangabe in den Jurisdiktionen AU, CA, JP und insbesondere US zu sehen. Im März 2023 sind 1 Mio. Design-Familien von 24 Jurisdiktionen erfasst. Knapp 7.000 dieser Familien führen eine IPC oder CPC. Aus diesem Grund wurden bei Datenbank-Abfragen ohne Verwendung zumindest einer IPC oder CPC ein Ausschluss der Design-Schutzrechte vorgenommen.[11] Bei Abfragen mit der Nennung zumindest einer IPC oder CPC wurde die Unschärfe von 7.000 Familien in Kauf genommen.

Die folgenden Untersuchungen setzen sich vorrangig zum Ziel Vorteile und Nachteile der Nutzung von CPC-Symbolen im Rahmen von Patentrecherchen aufzuzeigen. Deswegen wird auf die Nennung weiterer Möglichkeiten, wie bspw. die Recherche mit Begriffen, Namen und anderer bibliographischer Daten verzichtet. Dem Autor ist bewusst, dass dadurch gewisse Nachteile einer sich auf Patentklassen stützenden Recherchestrategie kompensiert werden könnten.

Untersuchung zur Vollständigkeit

In etwa 5,3 Mi. Patentfamilien verfügen in der Datenbank Espacenet® über keinen IPC-Eintrag[12], wovon wiederum ca. 3,4 Mio. weder eine IPC noch eine CPC führen.[13] Knapp 500.000 der weder IPC noch CPC klassifizierten Patentfamilien verfügen über zumindest eine Veröffentlichung in der Jurisdiktion DE. In etwa 900.000 stammen aus CA. Diese Treffer können lediglich mit Hilfe von Begrifflichkeiten und anderen bibliographischen Daten recherchiert werden. 70.000 der nicht klassifizierten Treffer wurde in den letzten 10 Jahren, insbesondere in den Jurisdiktionen UA, IT, ZA, CN und MY veröffentlicht, wie die Abbildung 1 zeigt.

Abbildung 1: Patentfamilien in Espacenet® ohne IPC und CPC

Die weitere Untersuchung soll aufzeigen, wie viele Patentfamilien (simple patent family) mit Hilfe welchen Patenklassensystems aufgefunden werden können. In der gesamten Datenbank Espacenet® sind in etwa 80,5 Mio. Patentfamilien recherchierbar.[14] 77 Mio. können mittels IPC und CPC aufgetroffen werden.[15] 76 Mio. werden mit Hilfe der IPC ermittelt.[16] 37 Mio. Patentfamilien erzielt die Recherche mit CPC-Sektionen.[17] Von den 76 Mio. Patentfamilien, die mittels IPC ermittelt werden, werden 40 Mio. Patentfamilien ausschließlich mit Hilfe der IPC aufgefunden, das entspricht in etwa 52% des mittels IPC verfügbaren Stand-der-Technik.[18] Eine Recherche, die sich in der gewählten Datenbank ausschließlich auf die CPC stützt, kann daher nicht als vollständig bezeichnet werden. Dies kann der Abbildung 2 entnommen werden.

Abbildung 2: Verfügbarkeit mit Patentklassen

Untersuchung zum zeitlichen Aspekt und zu Jurisdiktionen

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Aktualität. Es kann bspw. erheblich sein, wann der ausschließlich über die IPC verfügbare Stand-der-Technik veröffentlicht wurde und in welchen Jurisdiktionen. 19,5 Mio. Patentfamilien, also in etwa die Hälfte, wurden in den letzten 10 Jahren veröffentlicht. Sehen Sie dazu bitte Abbildung 3. 17 Mio. dieser Patentfamilien verfügen über zumindest eine Veröffentlichung in CN und 1,4 Mio. über zumindest eine Veröffentlichung in JP. Dies bedeutet, dass nach wie vor eine große Anzahl an Veröffentlichungen aus asiatischen Jurisdiktionen lediglich über IPC verfügbar sind. Um eine Relation zu erhalten sei angeführt, dass mittels IPC und CPC in der Jurisdiktion CN in den letzten 10 Jahren 28 Mio. Patentfamilien aufgetroffen werden.[19] In der Jurisdiktion JP sind es 2,7 Mio.[20] im gleichen Zeitraum.

 

Abbildung 3: Nicht CPC klassifizierter Stand-der-Technik der letzten 10 Jahre

Untersuchung mit Hilfe der Sektionen

Neben der Frage nach dem zeitlichen Aspekt und den Jurisdiktionen kann erheblich sein, welche Technologien von einer fehlenden CPC-Klassifikation betroffen sind. Um einen ersten Einblick in die technologische Relevanz zu erhalten, kann die Untersuchung auf Basis der Sektionen A-H dienen. Die Sektion Y (neu entstehende und sektionsübergreifende Technologien) wurde in der folgenden Darstellung bewusst ausgelassen, da diese lediglich CPC spezifisch ist.

Je Sektion wird die Anzahl an Patentfamilien angeführt, die lediglich mittels CPC auffindbar ist[21], die mittels CPC und IPC auffindbar ist[22] und jene die ausschließlich mit der IPC aufgetroffen wird.[23] In Abbildung 4 ist erkennbar, dass, mit Ausnahme der Sektion D (Textilien; Papier), in allen Sektionen A-H über 50% des technologiebezogenen Stand-der-Technik verloren gehen, wenn ausschließlich mittels CPC-Symbolen recherchiert wird.

Andererseits wird auch hier deutlich, dass ein gewisser Stand-der-Technik ausschließlich über die CPC greifbar ist. Die hier nicht berücksichtigte Sektion Y eingeschlossen, werden mit Hilfe der CPC 1,9 Mio. Patenfamilien aufgetroffen, die mit Hilfe der IPC nicht ermittelt werden.[

24]

Abbildung 4: Klassifikationsvergabe in den Sektionen

Im Vergleich zu den Untersuchungen, die Bart Degroote im Jahr 2018 durchführte, sind Veränderungen erkennbar. Einerseits ist die Gesamtanzahl der aufzufindenden Patentfamilien stark gestiegen. Andererseits hat sich das Verhältnis der mit CPC aufzufindenden Patentfamilien in allen Sektionen verbessert.

Untersuchung zu einer Technologie - Beispiel Autonomes Fahren

Für Patentrecherchen zum Thema Autonomes Fahren ist unter anderem die Patentklasse „G05D1/02 Steuerung oder Regelung des Einhaltens einer Position oder des Kurses in zwei Dimensionen“ relevant. Ein Blick in den IPC-Katalog zeigt, dass die Zweipunktklasse G05D1/03 der Einpunktklasse G05D1/02 untergeordnet ist. Die G05D1/03 sollte demnach ebenso berücksichtigt werden, sofern Nahfeldkopplungseinrichtungen auf das zu recherchierende Thema zutreffen. Beim Öffnen des CPC-Katalogs zeigt sich ein klarer Vorteil der CPC, nämlich die Vielzahl an weiteren Untergruppen. Der G05D1/02 sind direkt 46 Untergruppen untergeordnet, die in der IPC nicht ausgewiesen werden. Dies ist in Abbildung 5 ersichtlich. Sollte bspw. ein selbstlernendes Verfahren zur Definierung einer Fahrtrajektorie eines Straßenfahrzeugs recherchiert werden, könnte u. a. die „G05D1/0221 …. involving a learning process“ zu raschen Erfolgen führen.

Abbildung 5: Auszug aus dem CPC-Katalog zur G05D1/02

Bei einer näheren Untersuchung zeigt sich, wie zu erwarten, dass auch bei diesem Beispiel mit Hilfe der IPC mehr Ergebnisse erzielt werden. Bei einer ausschließlichen Recherche mit CPC würden 42% des themenbezogenen Stand-der-Technik nicht berücksichtigt.[25] Andererseits können durch die Nutzung der CPC 15.000 Treffer erzielt werden, die nicht in der IPC G05D1/02 oder G05D1/03 klassifiziert sind.[26] Diese Treffer wurden zum Großteil von den Ämtern EP und US CPC-klassifiziert. Aus dieser Tatsache lässt sich schließen, dass es für eine umfassende Recherche notwendig ist, zumindest die beiden genannten Klassensysteme zu berücksichtigen. Bitte sehen Sie dazu die Ergebnisse der Abbildung 6.[27]

Abbildung 6: Verfügbarkeit am Beispiel der G05D1/02

26.800 der 32.000 ausschließlich mittels IPC auffindbaren Treffer können erwartungsgemäß den Jurisdiktionen JP und CN zugewiesen werden, wie Abbildung 7 zeigt. Dies entspricht einem Anteil von 84%. 18.800 Patentfamilien wurden in den letzten 10 Jahren veröffentlicht. Dies zeigt, wie wichtig die Nutzung weiterer Klassifikationssysteme ist, wenn aktuelle Veröffentlichungen aus Asien berücksichtigt werden sollen.

Abbildung 7: Ausschließlich mittels IPC auffindbare Treffer

Losgelöst von einer Einschränkung auf Jurisdiktionen zeigt sich, dass knapp 49% der 32.000 Patentfamilien in den letzten 10 Jahren veröffentlicht wurden.

Abbildung 8: Ausschließlich mittels IPC auffindbare Treffer der letzten 10 Jahre

Klassifizierungspolitik

Neben den obigen Überlegungen kann die Frage gestellt werden, bis auf welche Untergruppen-Ebene tatsächlich klassifiziert wird. Es wäre denkbar, dass die CPC vergebenden Ämter zwar CPC klassifizieren, aber auf Ebene der IPC-Struktur (Untergruppe oder Klasse) bleiben.

Die Abfrage cpc = „G05D1/02/low“ führt zu knapp 45.000 Patentfamilien. Um die Frage zu untersuchen, wie es tatsächlich mit der Klassifizierungspolitik der CPC klassifizierenden Ämter aussieht, soll nun analysiert werden, wie viele dieser Patentfamilien tatsächlich einer CPC-spezifischen Untergruppe zugeordnet sind. Dazu wurde eine Abfrage mit allen 46 der G05D1/02 untergeordneten CPC-Symbolen durchgeführt.[28] 42.600 Patentfamilien können den CPC-spezifischen Untergruppen zugewiesen werden. Die G05D1/03 kann aufgrund der geringen Trefferzahl bei dieser Betrachtung vernachlässigt werden.

Die bei diesem Beispiel primär CPC klassifizierenden Ämter sind EP, CN, US und KR, wie aus der Abbildung 9 hervorgeht.

Abbildung 9: CPC klassifizierende Ämter – Beispiel G05D1/02

2.200 Treffer wurden keiner CPC-spezifischen Untergruppe zugewiesen und „lediglich“ in der G05D1/02 klassifiziert. Auch hier sind als primär vergebende Ämter EP, CN, KR und US zu nennen. 89% dieser Treffer wurden in den letzten 10 Jahren veröffentlicht.

Aus den oben angeführten Untersuchungen kann daher geschlossen werden, dass im Rahmen der Klassifizierungspolitik der CPC klassifizierenden Ämter auf die möglichen CPC-spezifischen Untergruppen Rücksicht genommen wird.  Dies wird auch durch einen Vergleich der G05D1/00 gestützt. In der IPC[29] sind 31.107 und in der CPC[30] 1.120 Patentfamilien klassifiziert. Auch dieses Verhältnis deutet darauf hin, dass die Möglichkeit der Klassifizierung in CPC-spezifischen Untergruppen seitens der CPC klassifizierenden Ämter wahrgenommen wird. Um diese Auffassung zu überprüfen, sind jedoch weitere Untersuchungen notwendig.

Es bleibt jedenfalls zu berücksichtigen, dass selbst bei Ämtern, die sich dem CPC-System angeschlossen haben, bestimmte Veröffentlichungen nicht CPC klassifiziert werden. Im Veröffentlichungszeitraum 2016-2022 sind in CN 23Mio. Patentfamilien aufzufinden. 13 Mio. verfügen über keine CPC-Nennung, auch wenn sich CNIPA (ehemals SIPO) 2016 dem CPC-System angeschlossen hat. 95% dieser Veröffentlichungen ohne CPC sind erwartungsgemäß Gebrauchsmuster.[31]

Allgemein betrachtet sind von den 82Mio. in Espacenet® verfügbaren Patentfamilien, 26,5 Mio. von EP, 11,8 Mio. von US, 9 Mio. von CN und 4 Mio. von KR als „CPC assigning office“ mit einer CPC klassifiziert worden.

CPC und Nichtpatentliteratur (NPL)

Einige Fachliteraturdatenbanken bieten die Möglichkeit mit Hilfe von Patentklassen den Datenbestand zu durchsuchen. Bspw. kann in der Datenbank INSPEC seit 2010 mit Hilfe von IPC-Symbolen recherchiert werden.[32] Auch in Patentscope ist eine NPL-Recherche unter Nutzung der IPC möglich. Die IPC wurde von einem Algorithmus automatisch vergeben.[33] Die Datenbank Espacenet® führt ebenfalls Nichtpatentliteraturzitate (NPL). Jedoch in beschränktem Ausmaß. Die Kennzeichnung von NPL-Zitaten erfolgt mit der bekannten XP-Kennung. Eine Suche nach der XP-Kennung und eine Suche nach NPL mit Hilfe der CPC sind jedoch nicht möglich.

Auch in anderen Datenbanken wird NPL mit Hilfe der IPC oder CPC klassifiziert. Google Patents führt bspw. maschinenklassifizierte NPL aus Google Scholar, Google Books und dem Prior Art Archive. Da der Schwerpunkt dieser Untersuchung jedoch auf Patentinformation liegt, wird an dieser Stelle nicht auf das Thema CPC und NPL eingegangen.

Auswirkung auf Recherchearten

Die CPC bietet im Hinblick auf die verschiedenen Recherchearten den Vorteil, unter Umständen sehr rasch themenrelevante Ergebnisse auffinden zu können. Trotz mangelnder Vollständigkeit und der verschiedenen Länder- sowie Technologiespezifika wird die CPC nach wie vor als guter Ausgangspunkt für Recherchen dienen und zu einer Effizienz- und Effektivitätssteigerung führen. Insbesondere Erfindungsmeldungs- und Neuheitsrecherchen sollten von der CPC profitieren. Sofern bei einer Recherche ausschließlich beinahe durchgängig CPC-klassifizierte Jurisdiktionen recherchiert werden, wie bspw. US und EP, könnte u. U. die Nutzung des CPC-Systems in einem ersten Schritt ausreichend sein. Es sei hier jedoch angemerkt, dass selbst in den Jurisdiktionen US und EP keine vollständige Klassifizierung mit CPC-Symbolen vorliegt.

Recherchen, bei denen Stand-der-Technik aus Asien relevant ist, kommen ohne die Nutzung alternativer Klassensysteme und Werkzeuge nicht aus. Dies trifft auch auf den Zeitraum der letzten 10 Jahre zu. Lediglich 28% der Pateninformation aus Japan ist mittels der CPC recherchierbar. Im Veröffentlichungszeitraum 2016-2022 sind in CN 43% der Patentfamilien CPC-klassifiziert, 95% der Veröffentlichungen ohne CPC sind CN-Gebrauchsmuster.

Fatal wäre Recherchen, die eine Berücksichtigung des gesamten Stand-der-Technik verlangen, ausschließlich mit Hilfe des CPC-Systems zu recherchieren. Im Besonderen seien hier die Stand-der-Technik-, Rechtsbeständigkeits- und FTO-Recherche angeführt. Bei diesen Recherchearten wird die CPC zwar ein wichtiges Werkzeug sein, jedoch nicht ausreichen, um vollständig zu recherchieren.

Weiters kann der Trend zur automatischen Klassifikation mit Hilfe von KI gestützter Software berücksichtigt werden. Es kann u. U. auch zu rechercheseitigen Auswirkungen kommen, je mehr Ämter und Datenbankanbieter auf KI gestützte Software zur automatischen Vergabe von CPC-Symbolen setzen. Inwieweit sich hier konkrete Auswirkungen auf die unterschiedlichen Recherchearten ergeben, bleibt die Aufgabe weiterer Untersuchungen.

Je mehr Jurisdiktionen am CPC-System partizipieren, desto vollständiger können Recherchen unter Nutzung von CPC-Symbolen werden. Es bleibt jedoch zu erwarten, dass in den nächsten Jahren nach wie vor eine kombinierte Nutzung von verschiedenen Patentklassensystemen der Schlüssel zum Erfolg sein wird.

Überlegungen zur Zukunft der CPC

Abgeleitet von der Entwicklung der letzten Jahre ist darauf zu schließen, dass das CPC-System zumindest ein wichtiges Tool im Werkzeugkoffer der Rechercheure bleibt. Inwieweit die CPC zu einem hauptsächlichen Werkzeug werden kann, hängt mit den weiteren Bestrebungen des EPA und des USPTO zusammen, sowie der Bereitschaft weiterer Ämter am CPC-System partizipieren zu wollen. Gewisse Blockaden können weiterhin seitens des JPO erwartet werden, wobei hier zu bemerken ist, dass manche Rechercheure auch die Vorteile der F-Terms nicht missen wollen würden.

Durch den Trend der KI gestützten Klassenvergabe in mehreren CPC klassifizierenden Ämtern kann spannend auf erste Untersuchungen gewartet werden, die einen näheren Blick auf die Qualität der Zuordnung der Anmeldungen wagen. Es kann mit steigender Qualität der KI gestützten Klassenvergabe erwartet werden, dass weitere Ämter den Schritt zur Partizipation am CPC-System in Betracht ziehen. Spannend bleibt auch die Frage, ob in Zukunft eine KI gestützte Weiterentwicklung des CPC-Systems erfolgen wird. Revisionen könnten in diesem Fall u. U. tagesaktuell oder gar stündlich vorgenommen werden und eine Klassenanzahl von 250.000 in einigen Jahren verwundernd gering wirken.

Im Rahmen dieser Überlegungen stellt sich auch die Frage, inwieweit mit fortschreitender KI-Technologie Patenklassen und somit auch die CPC überhaupt noch gebraucht werden. Um hier nicht in Spekulation abzugleiten wurde diese Frage direkt an eine KI weitergereicht.

ChatGPT[34] antwortet auf die Frage welche Rolle die CPC in Zukunft einnehmen wird folgendes:

“As an AI Language model, I cannot predict the future with certainty, but it is expected that the Cooperative Patent Classification (CPC) will continue to grow and expand globally. The CPC has already become the standard classification system used by over 30 patent offices worldwide, including those of Europe, China, and the United States. It provides a common language for describing inventions across different countries, making it easier to search and compare patents across jurisdictions.

Moreover, the CPC is continuously evolving to adapt to new technologies and emerging fields, such as artificial intelligence, blockchain, and renewable energy. The CPC’s development is based on a collaborative approach involving patent offices, industry experts, and stakeholders, which ensures that it remains relevant and up-to-date.

In conclusion, the future scenario for the cooperative patent classification looks promising and will undoubtedly play a crucial role in enhancing efficiency, transparency, and collaboration in the global patent system.”

Schlussfolgerungen

Die CPC umfasst etwa 250.000 Klassifikationssymbole. Knapp 30 Patentämter partizipieren am CPC-System und in über 45 Patentämtern wird die CPC bei der Recherche genutzt. Die CPC bietet enorme Vorteile im Hinblick auf die zahlreichen Untergruppen, die in der IPC nicht aufzufinden sind. Es ist feststellbar, dass in den letzten Jahren enorme Bestrebungen stattfanden, auch weitere Ämter vom Vorteil der Nutzung und Klassifizierung mit der CPC zu überzeugen. Der Großteil der Klassifizierungen fand durch die Ämter der Jurisdiktionen EP, US, CN und KR statt.

Mit Hilfe der CPC können in der Datenbank Espacenet® 37Mio. Patentfamilien ermittelt werden. Das bedeutet, dass aktuell in etwa 52% des verfügbaren Stand-der-Technik lediglich mittels der IPC aufgetroffen werden. Daher kann eine Recherche in der Datenbank Espacenet®, die sich ausschließlich auf die CPC-Symbole stützt, nicht als vollständig bezeichnet werden.

Auch auf technologisch betrachteter Ebene ist festzuhalten, dass mit Ausnahme von Sektion D in allen Sektionen A-H über 50% des technologiebezogenen Stand-der-Technik verloren gehen, wenn ausschließlich mittels CPC-Symbolen recherchiert wird. Bei einer ausschließlichen Recherche der Patentklasse G05D1/02 mit dem CPC-System würden 42% des themenbezogenen Stand-der-Technik nicht berücksichtigt.

1,9 Mio. Patenfamilien sind ausschließlich mittels der CPC auffindbar und tragen keine IPC. Es zeigt sich auch bei konkreten Patentklassen, wie bspw. bei der G05D1/02, dass es anzuraten ist, IPC und CPC bei einer Recherche zu berücksichtigen. Es versteht sich von selbst, dass dies auch auf andere Klassensysteme, wie insbesondere die F-Terms zutrifft.

Die Nutzung weiterer Klassifikationssysteme ist nach wie vor wichtig, wenn aktuelle Veröffentlichungen insbesondere aus Asien berücksichtigt werden sollen. Bei Recherchen im JP-Stand-der-Technik scheint nach wie vor die Nutzung der F-Terms unverzichtbar. Im Jahr 2017 waren gemäß Jahresbericht des CPC-Komitees lediglich 27% der Pateninformation aus Japan mittels CPC recherchierbar. Untersuchungen haben gezeigt, dass es im März 2023 28% sind, also kaum eine Verbesserung stattgefunden hat. CN-Veröffentlichungen sollten durch die Kombination von CPC und IPC greifbar sein, auch wenn die großen Treffermengen teilweise Grenzen aufzeigen. Der Großteil der Patentfamilien mit CN-Gebrauchsmuster ist nicht CPC klassifiziert.

Es kann erwartet werden, dass in Zukunft weitere Ämter am CPC-System partizipieren werden. Der Trend zur automatischen Klassifikation mit Hilfe von KI gestützter Software wird die zukünftige Entwicklung des CPC-Systems mit beeinflussen.

Michael Felbinger

IPnovation GmbH

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